Die Truppengeschichte der Jürgen-Schumann-Kaserne ab 1955

Die heutige Jürgen-Schumann-Kaserne, ehemals Fliegerhorst Uetersen und Marseille-Kaserne, erfuhr seit 1955 eine wechselreiche Truppengeschichte, die hier im Folgenden in Zusammenarbeit mit der Regionalausstellung der Jürgen-Schumann-Kaserne dargestellt wird.

#rührteuch Das Logo der Regionalausstellung der USLw.

Truppenschule der Luftwaffe (TrSLw)

Mit den sogenannten Luftwaffenlehrgängen wurde 1956 eine Ausbildungsinstitution geschaffen, mit der kriegsgediente Soldaten in die Luftwaffe eingeführt werden sollten. Neben der Durchführung der obligatorischen Verwaltungsaufgaben, wie Einkleidung oder Festlegung der Besoldungsstufe, stand vor allem die Unterrichtung in den Zielen und Grundsätzen der neuen Bundeswehr auf dem Programm. Diese Veränderungen und Abgrenzungen zur Wehrmacht – hier verkürzt unter dem Stichwort „Innere Führung“ zusammengefasst – sollte den in der NS-Zeit aufgewachsenen und sozialisierten Männern vermitteln, dass sie nun in Streitkräften einer Demokratie dienten. Stichwort: „Bürger in Uniform“.

Schon im Januar 1957 wandelte man die Luftwaffenlehrgänge in die Truppenschule der Luftwaffe um. Da hier zu einem erheblichen Teil die Ausbildung zum Feldwebel im Auftrag stand, lässt sich diese TrSLw als erste zentrale Institution für die Ausbildung der Unteroffiziere identifizieren. Damit zählt sie zu den Vorfahren der heutigen USLw.
Im Mai 1957 wechselte die TrSLw nach Hamburg-Osdorf. 1969 erfolgte die Verlegung nach Iserlohn, wo sie 1971 in der Truppendienstliche Fachschule der Luftwaffe aufging.

Lehrgangsteilnehmer der TrSLw beim Gefechtsschießen 1959. | Quelle: USLw
Lehrgangsteilnehmer der TrSLw beim Gefechtsschießen 1959. | Quelle: USLw

Luftwaffenausbildungsregiment 1 (LwAusbRgt 1)

Wie die Luftwaffenlehrgänge ging auch das LwAusbRgt 1 aus der ab Ende 1955 in Nörvenich aufgestellten Luftwaffen-Lehrkompanie hervor. Ab April 1956 entstanden in schneller Folge die Kompanien und Bataillone des Regimentes im damaligen Fliegerhorst Uetersen. In einem zwei- bis sechswöchigem Takt erfolgten Aufstellungen, Verlegungen oder andere organisatorische Maßnahmen. Trotz dieser überaus schwierigen Anfangsphase konnte noch 1956 der erste Unteroffizierlehrgang erfolgreich abgeschlossen werden. Vor allem die erste Vereidigung der jungen Bundeswehr am 19. Oktober 1956 stellte für die Beteiligten sicherlich einen wesentlichen Meilenstein der Entwicklung dar.

Mit der Übernahme der Eggerstedt-Kaserne (Bezeichnung ab 1971) verlegte das LwAusbRgt 1 nach Pinneberg.

Im März 1961 rückte der überwiegende Teil des LwAusbRgt 1 öffentlichkeitswirksam mit klingendem Spiel nach Pinneberg an den neuen Standort. | Quelle: USLw
Im März 1961 rückte der überwiegende Teil des LwAusbRgt 1 öffentlichkeitswirksam mit klingendem Spiel nach Pinneberg an den neuen Standort. | Quelle: USLw

Ab 1981 übernahm das II. Bataillon des LwAusbRgt 1 die Aufgaben des endgültig aufgelösten FAR und damit insbesondere die englische Sprachausbildung. Bei der Aufstellung der USLw ab 1988 stellte das LwAusbRgt 1 einen erheblichen Teil des frühen Stammpersonals der USLw.

Fluganwärterregiment (FAR)

Mit dem FAR wurde der dritte größere Verband im Fliegerhorst Uetersen aufgestellt. In diesem Regiment erhielten alle angehenden Flugzeugführer der Bundewehr (Heeresflieger, Luftwaffe, Marineflieger) ihre fliegerische Grund- und Auswahlschulung. Mit dieser grundlegenden Ausbildung, inkl. dem ersten Alleinflug, sollte sichergestellt werden, dass nur geeignete Anwärter die anspruchsvolle Schulung zum vollwertigen Flugzeugführer der Bundeswehr durchlaufen.

Hervorgegangen war das FAR aus dem ab November 1956 aufgestellten III. Bataillon des LwAusbRgt 1 („Flugzeugführeranwärterbataillon“). Für die fliegerische Ausbildung nutzte man die Piper L 18 (1957 – 1963), Dornier Do 27 (1960 – 1971) sowie die Piaggio Pi 149D (1963 – 1971).

Ende 1971 verlegte man die fliegerischen Anteile des FAR nach Neubiberg. Damit endete die Zeit der Kasernenanlage als Fliegerhorst. Der Flugplatz wurde ausgezäunt und verpachtet. Das FAR diente in den 1970er Jahre vor allem der Schulung der englischen Sprache. 1981 gliederte man es in das II. Bataillon des LwAusbRgt 1 um.

Moderne Sprachausbildung in den 1980er Jahren. | Quelle: USLw
Moderne Sprachausbildung in den 1980er Jahren. | Quelle: USLw

Im Resümee des FAR 1972 hieß es, dass 7.228 Flugschüler im FAR ausgebildet worden wären, davon 5.903 erfolgreich, was einer Ablösequote von 18 % bedeutet hätte. Etwa 50 % der abgelösten Flugschüler wären aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden, der Rest aus fliegertheoretischen, medizinischen oder charakterlichen Gründen.

Luftwaffenmuseum

Mit der Gründung des Luftwaffenmuseums schuf der damalige Regierungsoberinspektor Helmut Jaeckel das erste und lange Zeit einzige Museum für die militärische Luftfahrt in Deutschland. Aus Jaeckels Eigeninitiative hervorgegangen, erhielt die Sammlung 1963 mit der Gründung des Kuratoriums Luftwaffenmuseum eine neue Basis.

Helmut Jaeckel stellte 1957 seine Sammlung der Öffentlichkeit vor. | Quelle: USLw
Helmut Jaeckel stellte 1957 seine Sammlung der Öffentlichkeit vor. | Quelle: USLw
Luftwaffenmuseum
In den 1960er Jahren die Heimat des Luftwaffenmuseums: Die von den Britten gebaute, ehemalige Squashhalle, das heutige Geb. 185. | Quelle: USLw
Flugzeuge im Luftwaffenmuseum
Nach dem Weggang der fliegerischen Anteile des FAR übernahm das Luftwaffenmuseum ab 1972 die alten Hallen III und IV. Damit konnte ein erheblicher Teil der Großexponate wettergeschützt ausgestellt werden. | Quelle: USLw

Da der Umfang des Luftwaffenmuseums ein Ausmaß angenommen hatte, der durch einen kleinen Verein nicht länger zu tragen war, entschiede sich das Kuratorium, das Museum der Bundesrepublik Deutschland als Geschenk anzubieten. Nach längeren Verhandlungen wechselte das Museum 1987 den Besitzer und zählt seitdem zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.

Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten sowie die Auflösung der Nationalen Volksarmee der DDR spülte eine Vielzahl an Großgerät und Ausrüstungsgegenständen in den Bestand des Luftwaffenmuseums. Die Kapazität der Ausstellungs- und Lagerungsflächen war mehr als erschöpft. Abhilfe brachte die Verlegung auf den vormals von den britischen Streitkräften genutzten Flugplatz Berlin-Gatow. Dort befindet sich das Museum seit der Mitte der 1990er Jahre. Inzwischen unter der Bezeichnung „Militärhistorischen Museum der Bundeswehr. Flugplatz Berlin-Gatow“.

Französische Horcheinheit

Über die französische Horcheinheit, die von 1959 bis 1993 in der Kaserne stationiert gewesen ist, haben wir heute nur geringe Kenntnisse, da sie unter einer hohen Geheimhaltungsstufe arbeitete.

Vermutlich wurde von einem kleinen Gebäude auf dem heutige Flugplatzgelände Funkverkehr des Warschauer Paktes abgehört. Die aufgefangenen Funksprüche wurden dann wohl zur Auswertung an die übergeordnete Dienststelle nach Baden-Baden weitergeleitet.

Die Einheit bestand lediglich aus wenigen Soldaten, die im Schichtbetrieb die Station betreuten.

18. Kompanie Fernmelderegiment 33

Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre stellte die Luftwaffenführung die sogenannte Tieffliegerlücke fest. Darunter verstand man das Unvermögen, schnelle und tieffliegende Flugzeuge rechtzeitig auffassen zu können. Berechnungen ergaben, dass angreifende Flugzeuge (Z. B. die MiG-21) das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in ca. sieben Minuten überfliegen konnten. Eine rechtzeitige Vorwarnung war damit illusorisch.

Diese Aufklärungslücke ging man auf zwei Wegen an. Zum einen wurde der Tieffliegermelde- und Leitdienst (TMLD) mit mobilen Radargeräten aufgebaut und zum anderen die Entwicklung fliegender Radar- und Leitstationen (AWACS) initiiert.

Der TMLD wurde in einzelnen Kompanien entlang der innerdeutschen Grenze stationiert. In unserer Kasernenanlage war dieses die 18. Kompanie des Fernmelderegimentes 33. Die Einheit von ca. 350 Soldaten war mit umfangreicher Technik ausgestattet.

Mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten entfiel der Aufgabenbereich des TMLD, er wurde aufgelöst.

Ein mobiles Radargerät des TMLD. | Quelle: USLw
Ein mobiles Radargerät des TMLD. | Quelle: USLw